Heirat 2.0

Wie ist es, wenn frau zum 2. Mal heiratet – und dies nicht mit zarten 30 Jahren, sondern in den gereiften 50’ern. Mir geschehen im Januar diesen Jahres. Ein überraschender Heiratsantrag meines Liebsten kurz vor Weihnachten hatte wilde Folgen … und brachte uns kurzzeitig eine Art Auszeit, ich könnte es auch als Paradebeispiel für „wie bringe ich ad hoc den Wahnsinn in meinen Alltag“ bezeichnen. Dieser begann mit der Datumssuche, wie wollen wir heiraten, wo, Trauzeugen, ja, nein, vielleicht, mit Familie, mit Freunden, ganz alleine, was für Ringe, Outfitauswahl, diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Irgendwann stand das Gerüst für den schönsten Tag im Leben, was nicht per se dazu führte, dass ich bereits wusste, wie ich mich an diesem Tag präsentieren wollte. Da der Termin recht zeitnah war, bemerkte ich bei mir eine Form der fatalen Unentschlossenheit…Heiraten, ein zweites Mal, zum letzten Mal – ich fühlte mich jung & alt zu gleich. Die junge Katja bestellte sich ein weißes, langes Sommerkleid aus Spitze, tief dekolletiert, sehr weiblich, und eben – sehr jung. Als es ankam probierte ich es, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, an. Zweifelnd, jedoch frohen Mutes, stand ich vor dem Spiegel, und fand mich eigentlich ganz adäquat gekleidet. Wagte eine Selfieserie, und zeigte sie bei nächster Gelegenheit meiner Freundin ( und Trauzeugin) – Ihre erste Reaktion war ein „Oh“.
Okay – ein hmmm hätte es auch auch getan, sofort war klar – das Kleid muss weg. Was tun? Es blieb kaum noch Zeit, wo, in Gottes Namen, war die Professionalität, mit der ich meinen Kunden klare Ansagen zu Ihrer Outfitauswahl mache? Ich haderte mit allem, meinem Alter, meiner Figur, meiner Frisur, ich hatte keinerlei Idee mehr von dem  Bild der alten/neuen Katja. Es war an der Zeit sich klar zu machen, dass es nur noch eine Katja gibt, um die es sich zu kümmern gilt – und die ist weder jung, noch alt – die ist, auf ihre Art und Weise, neu.
Kurz vor der Hochzeit hatten wir uns noch zum Auftrag gemacht, meinen Sohn in Berlin zu supporten. Oder, besser formuliert, mit ihm alle Berliner Baumärkte unsicher zu machen.
Also, von der unbekümmerten Zeit einer Braut“Kleid“ Suche, keine Spur. Nach dem klaren Statement meiner Freundin, fuhr ich nach meinem Tag im Studio schnurstracks in eine meiner Lieblingsboutiquen. Es war 18.30 Uhr. Mir blieben 30 Minuten. Entspannte Vorfreude war gestern.
In dieser Verfassung betrat ich in das , Gott sei Dank, gerade kundenfreie Ladenlokal, deren Inhaberin ich bereits seit fast 20 Jahren kenne.
Wie konnte es nur sein, dass ich, Stilberaterin und Stylistin, keinen Plan hatte, wie sie am Tag Ihrer Trauung aussehen wollte? ICH benötigte Hilfe, ein Eingeständnis, dass mir schwer fiel.
Am Rande erwähnt, kaum etwas versetzt die Umwelt so in Entzücken, wie eine bevorstehende Trauung, höchstens vielleicht noch ein Neugeborenes oder Hundewelpen. In diesem Moment jedoch, wollte ich NICHT darüber sprechen , WEN ich heirate, WO, und wie die Feier danach geplant ist. ICH WOLLTE ETWAS ZUM ANZIEHEN FÜR DIESEN TAG!

Meine Blicke glitten über Bügelreihen, in der Hoffnung, mit meiner sonst immer verlässlichen Entscheidungsgeschwindigkeit, an genau DEM Stück , an dem JA, genau DAS ist es, hängen zu bleiben. Erneut griff ich zu einem weißen Kleid – und hörte ein kategorisches „Nein“ hinter mir.
Katja, dass bist Du nicht. Gut zu wissen, dass es zumindest noch Menschen um mich herum gab, die wussten, wer ich bin, denn ich hatte augenscheinlich kein Gefühl mehr dafür.
„Also wir hatten da vor ein paar Tagen noch diesen Jumpsuit im Leolook, genau Dein Ding, der wäre perfekt gewesen…allerdings ist er leider nicht mehr in Deiner Größe da“. Konfektionsgrößen schienen mir, in diesem Moment, gerade völlig zweitrangig. Was nicht passt, wird eben passend gemacht, dachte ich. Es war 18.55 Uhr, am anderen Ende der Stadt warteten noch diverse Accessoires zum dazustylen auf ihre Abholung. Am Ende mit meinen Nerven & Alternativen, bat ich darum, den Overall als Auswahl mitnehmen zu dürfen, die Umkleidekabine schien mir an diesem Abend keine Option mehr zu sein.

Gehetzt fuhr ich weiter, es war bereits stockfinster, und regnete in Strömen – um an die Objekte meiner Begierde zu kommen, musste das Tor meiner Bekannten, eine Art fahrbahrer Zaun, vom Haus aus geöffnet werden. Die Bewohner desselbigen waren augenscheinlich bereits im Feierabendmodus, vermutlich wollten sie dieses unwirtlich Wetter ausblenden, auf jeden Fall waren die Rollläden bereits herunter gelassen. Ich klingelte, meine Freundin zeigte sich am Fenster, und ich winkte, um Hallo zu sagen. Grober Fehler, auf Grund der Kälte, meiner Gesamtverfassung, oder was auch immer, flog mir mein Verlobungsring vom Finger – und verschwand mit einem „Pling“ in der Eibenhecke neben mir.
Völlig fassungslos darüber, was an einem einzigen Tag alles passieren kann, stand ich nun da.
Mein erster Gedanke war, ohne meinen Ring fahre ich nicht nach Hause. Hilfe in Form einer Stabtaschenlampe nahte, und zu dritt suchten wir im feuchten Laub, unter der Hecke, nach dem Ring. 10 Minuten später steckte er wieder an meinem Finger. 20.00 Uhr. Reichte.
Am nächsten Morgen, allein und einen Hauch erholter, probierte ich das Leooutfit an.
Gar nicht so schlecht, zu groß, aber irgendwie ganz cool. Mit etwas Weißem dazu kombiniert, ja, dass könnte es sein. Wieder machte ich ein Selfie & schickte es meiner Freundin.
Aaaah, da war sie, die erhoffte Reaktion – sie schrieb nur „ Mega“! Puhhh, geschafft. Okay, ich hatte etwas Zeit an dem Tag, und suchte sofort den Schneider meines Vertrauens auf. Aufgrund der engen Taktung benötigte ich mein Brautoutfit am nächsten Tag zurück. Kein Problem, von Seiten des Schneiders, erster Gedanke meinerseits jedoch, was wenn jetzt das Haus des Schneiders abbrennt? Bei dem Schneider eingebrochen wird? Nun ja, ich hatte keine wirkliche Wahl. Natürlich geschah nichts dergleichen, ich holte den Overall ab, und fuhr, um eine Sorge leichter, nach Berlin.
Und fragte mich, ob es an meiner hohen, optischen Anspruchshaltung lag, dass es mir so schwer gefallen ist, zu entscheiden, wie ich heiraten möchte, oder ist es doch das Alter? Sich selber einzugestehen, dass ein weißes, langes Spitzenkleid vielleicht keine adäquate Lösung für die zweite Trauung im Leben ist.
Kleine Anekdote am Rande, meine Eltern feiern im kommenden Jahr ihre Diamanthochzeit. 60 Jahre verheiratet. Sie verbrachten gerade ein paar Monate auf Teneriffa. Von dort aus schickte meine Mutter mir, via Whatsapp, Fotos von Ihrer Idee eines Kleides für diesen Anlass. Zur Erinnerung, meine Mutter wird 82 Jahre alt. Die Fotos zeigten sie in einem hellen Spitzenkleid, knielang, schmal geschnitten, mit tiefen Rückenausschnitt…

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